Mendelssohn


1. Ruhethal

Wenn im letzten Abendstrahl gold'ne Wolkenberge steigen,
und wie Alpen sich erzeigen,
frag' ich oft mit Thränen:
liegt wohl zwishen jenen mein ersehntes Ruhethal?


2. Mailied

Der Schnee zerrinnt,
der Mai beginnt,
und Blüthen keimen auf Gartenbäumen,
und Vogelschall tönt überall.

Pflückt einen Kranz
und haltet Tanz
auf grünen Auen,
ihr schönen Frauen,
wo grüne Mai'n uns Kühlung streu'n.

Wer weiss, wie bald die Glocke schallt,
da wir des Maien
uns nicht mehr freuen,

Drum werdet froh,
Gott will es so,
der uns dies Leben zur Lust gegeben,
drum werdet groh,
Gott, er will es so!
Geniesst der Zeit,
die Gott verleight.


3. Morgengebet

O wunderbares tiefes Schweigen,
wie einsam ist's noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
als ging' der Herr durch's stille Feld.

Ich fühle mich wie neu geschaffen,
wo ist die Sorge nun und Noth?
Was gestern noch mich wollt' erschlaffen,
dess schäm' ich mich im Morgenroth.

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich, ein Pilger, froh bereit
betreten nur als eine Brücke
zu dir, Herr, über'm Strom der Zeit.


4. Lerchengesang

Wie lieblicher klang,
o Lerche, dein Sang!
er hebt sich, er schwingt sich in Wonne.

Du nimmst mich von hier,
ich singe mit dir,
wir steigen durch Wolken zur Sonne.


5. Herbstlied

Holder Lenz, du bist dahin!
nirgends, nirgends darfst du bleiben!
Wo ich sah' dein frohes Blühn
braust des Herbstes banges Treiben,

Wie der Wind so traurig fuhr
durch den Strauch, als ob er weine;
Sterbeseufzer der Natur
schauern durch die welken Haine.

Wieder ist, wie bald, wie bald!
mir ein Jahr dahin geschwunden.
Fragend rauscht es durch den Wald:
hat dein Herz sein Glück gefunden?

Waldes rauschen, wunderbar
hast du mir das Herz getroffen!
Treulich bringt ein jedes Jahr,
neues Laub wie neues Hoffen.


6. Frühzeitiger Frühling

Tage der Wonne,
kommt ihr so bald?
Schenkt mir die Sonne,
Hügel und Wald?

Reichlicher fliessen
Bächlein zumal?
Sind es die Wiesen,
ist es das Thal?

Bläuliche Frishe!
Himmel und Höh!
Goldene Fische
wimmeln im See.

Buntes Gefieder
rauschet im Hain;
himmlische Lieder
schallen darein.

Unter des Grünen
blühender Kraft
naschen die Bienen
summend am Saft!

Leise Bevegung
bebt in der Luft,
reizende Regung,
schläfernder Duft.

Mächtiger rühret
bald sich ein Hauch,
doch er verlieret
gleich sich im Strauch.

Aber zum Busen
kehrt er zurück.
Helfet, ihr Musen,
tragen das Glück!

Saget seit gestern
wie mir geschah?
Liebliche Schwestern,
Liebchen ist da!


7. Lob des Frühlings

Saatengrün, Veilchenduft,
Lerchenwirbel, Amselschlag,
Sonnenregen,
linde Luft!

Wenn ich solche Worte singe,
brauch es dann noch grosser Dinge,
dich zu preisen, Frühlingstag?


8. Andenken

Die Bäume grünen über all,
die Blumen blühen wieder,
und wieder singt die Nachtigall
nun ihre alten Lieder.

O glücklich, wer noch singt und lacht,
dass auch der Frühling sein gedacht.

Wohl alles, was im Schlummer lag,
erwacht zu neuem Leben,
und jede Blüth' an jedem Hag
darf sich zur Sonne heben.

Was soll mir Blüth' und Vogelschall,
du fehlst mir, fehlst mir über all.

O liebes Herz, und soll ich dich
nun niemals wieder sehen?
So muss der Frühling auch für mich
ohn' Blüth' und Sang vergehen.

Was soll der Frühling doch für mich,
was ist ein Frühling ohne dich?
Was soll der Frühling ohne dich?
Es ist kein Frühling ohne dich!


9. Abschied vom Walde

O Thäler weit, o Höhen,
o schöner grüner Wald,
du meiner Lust und Wehen
andächt'ger Aufenthalt!

Da draussen, stets betrogen,
saust die geschäft'ge Welt;
schlag' noch einmal die Bogen,
um mich, du grünes Zelt,

Im Walde steht geschrieben
ein stilles ernstes Wort
vom rechten Thun und Lieben,
und was des Menschen Hort.

Ich habe treu gelesen
die Worte, schlicht und wahr,
und durch mein ganzes Wesen,
ward's unaussprechlich klar.

Bald werd' ich dich verlassen,
fremd in die Fremde geh'n
auf buntbewegten Gassen
des Lebens Schauspiel seh'n.

Und mitten in dem Leben
wird deines Ernst's Gewalt
mich Einsamen erheben
so wird mein Herz nicht alt.


10. Entflieh' mit mir

Entflieh' mit mir und sei mein Weib,
Und ruh' an meinem Herzen aus;
In weiter Ferne sei mein Herz
Dir Vaterland und Vaterhaus.

Unt fliehst du nicht, so sterb' ich hier
Und du bist einsam und allein;
Und bleibst du auch im Vaterhaus,
Wirst doch wie in der Fremde sein.


11. Es fiel ein Reif

Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht,
Er fiel auf die bunten Blaublümelein,
Sie sind verwelket, verdorrt.

Ein Jüngling hatte ein Mädchen lieb;
sie flohen heimlich von Hause fort,
es wusst' weder Vater noch Mutter.

Sie sind gewandert hin und her,
sie haben gehabt weder Glück noch Stern,
sie sind gestorben, verdorben.


12. Auf ihrem Grab

Auf ihrem Grab da steht eine Linde,
Drin pfeifen die Vögel im Abendwinde,
Und drunter sitzt auf dem grünen Platz,
Der Müllersknecht mit seinem Schatz.

Die Winde weh'n so still und so schaurig,
Die Vögel singen so süss und so traurig:
Die schwatzenden Buhlen, sie werden stumm,
Sie weinen und wissen selbst nicht warum.


MARUYAMA Satosi

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